Die Kraft der Seele ist doch unendlich, sobald sie in guter Gewissheit mit der Kraft verbunden ist, von der sie ursprünglich kommt. Was braucht es alles, damit ein Mensch sich allzeit an seine seelische Heimat erinnert? Was ist nötig, damit er, wenn er es mit seinem Herzen erkannt hat, beim Guten bleibt und die lebendige Erinnerung selbst im größten Getümmel nicht verblasst? Ist es nicht die Erinnerung und Besinnung an das wahre Selbst, das in ihm wohnt?
Man sagt so dahin: „Ich bin doch nur ein Mensch!“, oder „Das ist doch nur menschlich!“ Es fragt sich nur, was damit gemeint ist. Dass der Mensch einfach schwach ist? Ist er das? Ja. Er ist schwach und schutzlos wie kein andres Wesen auf der Welt. Und dennoch so stark, dass er, ich sage jetzt nicht einen Berg versetzen könnte, nein, dass er bestehen kann in jeder Minute seines Lebens. Aber wie ich erfahren habe, liegt dieser Unterschied, die Entscheidung über sein Vermögen nur in ihm selbst. Und es wird nicht über ihn entschieden. Er vermag über sich zu entscheiden. Ein weiser Mann sagte einst zu mir: „Du bist die stärkste Kraft in deinem Körper.“, und das glaube ich auch. Nicht auf solche Art, dass ich meine, der Mensch sei die Kraft an sich, sondern die Kraft kann in ihm und durch ihn wirksam werden, sobald er in sich geht, zu seinem innersten Empfinden, und die Macht erkennt, die ihm gegeben ist. Und diese Macht wurde ihm geschenkt, um frei zu handeln, um das Entscheiden zu lernen; dies wiederum durch die Erfahrung, die aus allem Tun hervorgeht.
Wenn der Mensch frei auf die Erde kommt, ist er noch ganz verbunden mit seiner Heimat. All seine Wünsche verleugnet er nicht, ist nicht zurückhaltend damit. Und wenn er sich etwas wünscht, so will er es auch bekommen. Die Gedanken folgen seinem Willen und der Mensch handelt. Und der Wille bringt oft eine unbändige Kraft mit sich, eine Kraft, die alles im Menschen bewegt und Energien freisetzt.
Erwachsener werden wir und nicht selten be-scheidener mit wünschen und glauben. Und in diesem Wort steckt doch auch „scheiden“! Trennen wir uns dabei nicht von der ursprünglichen Kraft? Ohne diese Kraft wird das Leben jedoch zur Bürde.
Und es kommt dazu, dass der Wille des einstigen Kindes getrübt ist. Lust und Tatendrang werden zur gedrungenen Tat ohne Lust. Warum bloß? Die Kraft muss es sein, die ihm fehlt. Es ist jene Kraft, die Blumen erblühen lässt, jene, die der ganzen Erde ihre Pracht schenkt, deren Überfluss keine Grenzen zu kennen scheint! Diese Kraft, die das Müssen in ein Wollen wandelt. Diese, welche die Lebenskraft selbst ist, die jeden Tag aufs Neue verborgen fließt und sich doch so offen zeigt.
Wenn wir nur wüssten, wenn wir nur fühlten, dass wir dieser schaffenden Kraft so nahe sind – dass wir in uns ein großes verborgenes Flussbett haben, durch das sie so gerne fließen möchte. Nur erlauben müssen wir es ihr und die inneren Wassertore öffnen, indem wir an das Schöne und Gute denken, das in der Welt erblüht.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen