Dienstag, 17. Februar 2015

die ägyptologin

(...)
so braucht sie einen kühlen kopf beim lesen
über büchern, die schon fast verwesen.
das ist der ägyptologin milder fluch:
im staub zu wälzen buch für buch
voll geheimnisvoller alter zeichen,
die so gerne aus dem kopfe weichen.

zu behalten aber ist nicht nur die schrift,
nein, sie muss das weite sichten,
das zwischen zeilen ruht im lichten –
und spät nachts hebt sie nun den stift:

von alten welten bringt sie neue kunde,
verliert sich selbst in später stunde,
schreibt von längst vergang'nen stätten,
von ärzten, die mit kräutern menschen retten

und sie gebiert im stillen einen traum:
am saum der alten zeit zu wandeln,
erleben, wie die alten menschen handeln.
doch was sie beflügelt, rührt manch menschen kaum:

es ist die wurzel unsrer heut'gen zweige,
es ist die welt, die heut im geiste lebt,
es ist der stille raum, der nun erbebt,
damit er uns die zukunft zeige.